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Lampenfieber aus erster, weil aus eigener Hand!

Am 12.November 2023 hatte ich die Ehre, im Großen Saal des Hauses der Musik in Innsbruck, die Uraufführung von sechs Liedern des Tiroler Komponisten und Musikers Robert Zorn zu singen. Ich war als Singender Schauspieler gefordert, eine einerseits musikalisch einwandfreie, aber trotzdem schauspielerisch lebendige Interpretation dieser Lieder zu entwickeln. Vor ausverkauftem Saal zu singen, hat mir wieder am eigenen Leib gezeigt, wie wichtig es ist, ein professionelles Repertoire an Übungen zu beherrschen, um Lampenfieber in Performance-Energie zu verwandeln.

Konzert „Hülsenarien“ von Robert Zorn, sechs Lieder mit Streichquartett, Fagott und Klarinette.

Ich glaube, ich habe im Vorfeld dieses Konzertes, vor allem in den Tagen davor und am selben Tag, all das erleben dürfen, was alle Menschen, die auftreten - Schauspieler*innen, Sänger*innen, Vortragende - mitmachen. Ich habe extreme Nervosität und Lampenfieber gespürt.

 

 

Mein Autonomes Nervensystem hat die bevorstehende Gefahr des ausgeliefert Seins registriert, und wollte mich dazu bewegen, dagegen anzukämpfen bzw. zu fliehen. Mein Sympathikus hat mich mobilisiert und so für Kampf oder Flucht vorbereitet.
Jeder Mensch empfindet diese Mobilisation anders. Ich merke, ich werde einerseits ungeduldig. Es kann durchaus passieren, dass ich jemanden anschnauze, der mir zu Nahe tritt. Andererseits beginne ich zu zweifeln und werde unsicher. Und diese Unsicherheit kann sich durchaus auch auf Aufgabengebiete ausbreiten, die nichts mit der eigentlichen Herausforderung zu tun haben. Und das, obwohl ich in meinem Leben weit über hundert Theaterpremieren gespielt habe, unzählige Livesendungen für den Rundfunk moderiert habe, und fast täglich vor kleineren oder größeren Publikumsmengen agiere.
Sir Lawrence Olivier, einer der größten Englischen Shakespeare- Bühnendarsteller hat seine Bühnenkarriere beendet, weil sein Lampenfieber immer stärker wurde. Er hat dann als Filmschauspieler Weltkarriere gemacht. „Routine schützt vor Lampenfieber nicht."

 

 

Sie können sich vorstellen, dass diese Gefühle und Gedanken, plus die damit einhergehenden körperlichen Anspannungen - eine übersteigerte Form unseres alltäglichen Stresses - nicht gerade produktiv zum Gelingen des jeweiligen Vorhabens, sei es ein künstlerischer Auftritt oder im beruflichen Umfeld eine Präsentation oder einer Rede, beitragen.

 

 

Aus diesem Grund gebe ich gerne ein professionelles Repertoire an Übungen weiter, die helfen, in herausfordernden Kommunikationssituationen offen, neugierig und präsent zu bleiben. Als Schauspieler*in würde man diese Übungen „Aufwärmübungen" nennen, im Spitzensport und in anderen Bereichen, die sich mit Auftrittspsychologie beschäftigen, kennt man viele dieser Übungen auch als neuronale Übungen. Denn sie helfen, das Nervensystem in einen Zustand zu bringen, den der amerikanische Coach für Spitzensportler, Michael Allison, die „Playzone“ nennt.

 

 

Ziel ist es, einen mobilisierten „sympatischen“ Zustand, der uns wacher, aufmerksamer, energetischer und reaktionsschneller sein lässt, mit jenem Zustand zu kombinieren, der von unserem zentralen Vagusnerv gesteuert wird, und uns erlaubt, im Moment präsent zu sein, und offen und lebendig zu kommunizieren.

 

 

Es handelt sich dabei um Übungen, die das Ziel haben, die Muskulatur des Körpers zu dehnen, zu lockern und zu mobilisieren, sodass sie auf jeden Impuls, gedanklicher oder emotionaler Natur reagieren kann. Das bedeutet Durchlässigkeit. Ich bin in der Lage zu kommunizieren, was ich denke und fühle.

 

 

Es handelt sich um Übungen, die die fünf Sinne anregen, und uns so in den Moment bringen, das Sehen, das Hören, das Spüren als wesentlichste Sinne. Aber Riechen und Schmecken sollten trotzdem nicht vernachlässigt werden, auch wenn sie scheinbar nicht an der Kommunikation beteiligt sind. Schmecken bedeutet Kontakt zur Zunge aufnehmen, und die ist ja wohl eine der wesentlichen Muskelgruppen unseres Sprechens.

 

 

Es handelt sich um Übungen, die unseren Atem tiefer und ruhiger werden lassen, die es aber unserem Atem ebenfalls ermöglichen, zu reagieren, auf das, was von uns gefordert wird. Und, nicht zu vergessen, mit dem Atem in Kontakt sein, bedeutet mit den eigenen Emotionen in Kontakt sein - eine Grundvoraussetzung lebendiger Kommunikation - und bedeutet auch, unser Gehirn mit dem nötigen Sauerstoff zu versorgen, um auch rhetorisch zu brillieren.

 

 

Nicht zuletzt, sind auch Übungen für die Stimme und für die Klarheit des Sprechens Teil dieses Rituals neuronaler Übungen. Auch sie sind Zielpunkte jener vier Gehirnnerven, die mit dem Vagusnerv unser System sozialer Kommunikation ansteuern. Und damit bilden sie einen weiteren Zugang dazu, uns für lebendiges Kommunizieren, spannende Präsentationen und Reden und eine wirkungsvolle Präsenz vorzubereiten.

 

 

Der Grundsatz „What wires together, fires together“ gilt nicht nur für Nervenbahnen. Sondern auch für Menschen in einem Raum. Einem Menschen kann es mittels einer packenden und lebendigen Rede gelingen, die ihm Zuhörenden für seine Ideen und Impulse zu begeistern.

 

 

Abschließend möchte ich noch anfügen, das Konzert ist fantastisch gelaufen. Das humoristische Feuer der Lieder, in denen der Komponist Robert Zorn leere Worthülsen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Medien aufs Korn nimmt, hat auf das Publikum übergegriffen. Es wurde viel gelacht, was bei zeitgenössischer Musik nicht selbstverständlich ist.

 

Ihr, Thomas Lackner

 

PS: Wie es Ihnen gelingt „Worthülsen“ zu vermeiden, und einen Vortrag auch dramaturgisch spannend zu gestalten, also von einem sinnvollen und trotzdem unterhaltsamen Aufbau her, das soll gerne ein andern Mal Thema sein.